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Freitag, 10. Oktober 2008

Musik: Tomte - Heureka

cover

Mit einem Kettcar-/Tomte-Doppelschlag will es das Grand Hotel van Cleef 2008 wissen. Kettcar haben vorgelegt, nun ist Tomte an der Reihe. Omnipräsent in den einschlägigen und z. T. abwegigen Medien (ZDF Morgenmagazin) konnte der interessierte Musikfreund den Ankündigungen kaum entgehen. Aber Thees Uhlmann nervt noch nicht... und wenn, wäre es ihm eh egal. Die Band sucht den Erfolg mit Gewalt. Allein Glanztaten der Vergangenheit (Platz elf in den PvG-Jahrescharts 2006) würden diesen rechtfertigen. Doch was bringt "Heureka"? Vor allem einen Tomte-Aufnäher. Meine Jeans-Jacke werde ich trotzdem nicht reaktivieren.

Einige Umbesetzungen kündigten Veränderungen an und Plattentests findet solche auch in der Musik:

Nach wie vor brauchen Tomte für den Fortschritt den Standard, um abzuweichen zu können. So versammelt "Der letzte große Wal" als übertypische Single nur am offensichtlichsten das, was man an Tomte schätzen gelernt hat: Die lwuuuuaaawuaaaaaaaang gezogenen Vokale, die leicht kryptisch erzählten Uhlmannschen Momentaufnahmen mit Blick für das große Ganze, die britischen Gitarren mit der deutschen Finesse. Auch ein im besten Sinne konventioneller Rocksong wie "Wie ein Planet" oder das tosende Oasis-Ende von "Nichts ist so schön auf der Welt, wie betrunken traurige Musik zu hören" dokumentieren, wie sehr die Band ihren ureigenen Stil mittlerweile verinnerlicht und perfektioniert hat.

Spannender sind auf "Heureka" aber die sperrigeren Momente, in denen die Freude aufgebrochen wird und sich das Album einer nachdenklicheren Seite öffnet: Zum ersten Mal reflektieren Tomte-Songs unmittelbar, allen voran das großartige "Wie siehts aus in Hamburg": "Wer ist pleite? / Wer ist fertig? / Und wer hat es ans Ufer geschafft?" fragt Uhlmann und fleht: "Halte durch!". Das ist nicht mehr der Typ, der im Sturm des Lebens neben Dir an der Bar steht, das ist der väterliche Freund, der diesen Lebensstil kennt und ihm doch ein wenig entwachsen ist. So baut der Song eine Brücke zwischen Kreuzberg und St. Pauli, zwischen früher und heute, und offenbart erstaunlich konkret den Phantomschmerz des Tomte-Sängers, der auch einmal "eine Geschichte, die auf ein Reiskorn passt" sein eigen nannte.

Der Spiegel legt anscheinend andere Messlaten an:

Und leider hat sich der inzwischen in Berlin lebende Hamburger auch auf dem restlichen Album kaum mit literarischem Ruhm bekleckert. Die notorisch jubelnde Fachpresse alternativer Prägung stört sich daran natürlich überhaupt nicht und lobt "Heureka" wortreich über den grünen Klee (der auf der Wiese, im Tal der Lust). Aber man soll sich nicht blenden lassen: Uhlmanns eh schon anstrengende Befindlichkeitslyrik ist auf "Heureka" (allein dieses Wort!) leider auf Kalenderblattniveau gelandet, da nützt es auch nichts, wenn er versucht, der Kritik gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn er singt: "Du nennst es Pathos und ich nenn es Leben" ("Küss mich wach, Gloria").

Zwischen diesen Extremen schwankt meine aktuelle Wahrnehmung des Albums nicht.  Aber viele weitere Durchläufe liegen noch vor mir und Heureka. Da mir Texte egal sind, sollen sich darüber andere Gedanken machen. Auf jeden Fall ist die Platte nicht zu glatt produziert. Diese Befürchtung hatte ich, nachdem ich die ersten neuen Songs live gehört hatte. Und Tomte ist defintiv eine der besten deutschen Bands und die CD gehört gekauft. Basta.

Als nächste Single scheint sich "Wie ein Planet" zu entpuppen.

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